Fotos: Wolfgang Broemser
Um- und Neubau Drachenfels-Plateau, Königswinter
Planung: Pool 2 Architekten, plandrei Landschaftsarchitekten
Bauzeit: 2011-2013
Architekturen // Ausflugsrestaurant
Glashaus mit Aussicht
"Ein Ausflug auf den Drachenfels? Trifft die sanierte Hütte denn unseren
gehobenen Geschmack?" Ein Erdmännchen aus dem Neuwieder Zoo
Ausflugsrestaurant
Rheinromantiker aus aller Welt können aufatmen: Der "Betondrache" auf dem Drachen-
fels, das Restaurant-Ungetüm der 1970er-Jahre, hat sich widerstandslos erlegen, sprich:
zurückbauen, sprich: abreißen lassen. Jetzt ziert ein Kubus mit sandgestrahlten Sicht-
betonpfosten und verglaster Fassade die meistbestiegene Erhebung Europas. Kleiner
und filigraner als sein Vorgänger passt sich der Restaurant-Neubau vergleichsweise
diskret in die Landschaft ein. Eine abgetreppte Terrasse mit flachen Sitzstufen erlaubt
einen ungehinderten Ausblick auf den Strom. Sie ist direkt mit dem Ankunftsbereich
der Drachenfelsbahn verbunden. Dort entstand eine neue Bergstation mit einer Kolon-
nade aus vorgefertigtem Sichtbeton.
Neubau ordnet sich der Ruine unter
Der Gebäude-Komplex umfasst den denkmalgerecht sanierten Altbau aus den 1930er-
Jahren, den neuen, zweigeschossigen Glaswürfel und ein Foyer als Gelenk zwischen Alt-
und Neubau. Trotz unterschiedlicher Form und Materialien (Glas vs. Stein) entstand
eine homogene gestalterische Einheit, die sich in ihrer Längsausrichtung dem Felsgipfel
mit der Burgruine unterordnet und die unbebaute Fläche vergrößert. Das alte Restau-
rant dominierte mit seiner Querausrichtung und Größe den Berg fast wie ein Flugzeug-
träger. Teile der Abbruchmaterialien dienten als Fundament für den Neubau. Der ist,
trotz Vollverglasung, energetisch sehr viel effizienter als sein ungeschlachter Vor-
gänger - der Betreiber erhofft sich 70 Prozent Energieeinsparung.
Brutalismus hat doch was mit "brutal" zu tun - der Beton-Oschi aus den 1970er-Jahren
Aufwendig klimatisierter Speisesaal
Im Erdgeschoss des Altbaus befinden sich die Küche und ein Speiseraum mit 80 Sitz-
plätzen. Die obere Etage wird für Tagungen und Seminare genutzt.
Das Untergeschoss des Neubaus enthält einen kleinen Laden und einen Imbissbereich.
Im Hauptgeschoss des Glaswürfels entstand ein quadratischer, lichtdurchfluteter
Speisesaal mit 130 Sitzplätzen. Automatische Außenrollos schützen den Raum vor der
Sonne. Kühlung und Heizung erfolgen nach dem Prinzip der Bauteilaktivierung über
die Decke, die zum Zweck der besseren Schallabsorption auch eine Akustikdecke ist.
Die beiden Speiseräume werden über den Fugenbau erschlossen. Mit der Außen-
gastronomie im Terrassenbereich ergänzen sie sich je nach Jahreszeit und Gästezahl.
Für private Feiern in den Abendstunden kann ein Sternekoch gebucht werden.
Das Gelände ist - bis auf den Aufstieg zur Burgruine - barrierefrei angelegt. Um die
Sitzstufen der neuen, zum Rhein zeigenden Terrasse führt eine Rampe, die die neu-
geschaffene Aussichtsplattform mit dem Gastronomie-Komplex verbindet.



Bereits im Biedermeier war die Aussichtsterrasse eine öffentliche Freifläche (li.) - anders als dann in
den 1950er-Jahren (Mitte). William Turner malte den Drachenfels 1817. Fotos: Stadt Königswinter



Architektur ohne Gemecker - unvorstellbar. Schon wird das neue Drachenfels-Restaurant als "Schuhkarton"
abgekanzelt, der in wenigen Jahren ebenfalls reif für die Abrissbirne sei. Nächst dem Fußball kennt die Bau-
kunst die meisten selbst ernannten Experten. Das Gros der Mitglieder von Architekturforen sind keine Archi-
tekten. Wer reflexhaft auf neue Bauten schimpft, zeigt, wie stark Architektur als öffentliche Kunst (oder Nicht-
kunst) in unser Leben eingreift. Daher die oft neiderfüllte Missgunst gegen ihre Schöpfungen. Ihre massive
optische Präsenz affiziert alle, die ein Auge für ihre gebaute Umwelt haben - Erkenntnisse der Quantenphysik
elektrisieren dagegen nur Quantenphysiker. Dass Laien sich in die Baukunst einmischen, ist nicht schlecht,
solange sie sich um ein Verständnis für neues Bauen bemühen.
Dazu gehört, anzuerkennen, dass Architektur ein Gemeinschaftswerk ist, an dem Bauherren, Nutzer und das
Planrecht der Politik ihren Anteil haben. Auch der ehrgeizigste Planer will keine One-Man- oder One-Woman-
Show abliefern, sondern Baukultur im Einklang mit einem sich neu bestimmenden Zeitgeist bestimmen. Der
ernsthafte Architekt ist nicht von Gier nach Geld und Publicity getrieben, sondern von Visionen einer besseren
Welt. "Jetzt toben sich die Typen schon auf dem Drachenfels aus...!" Hier tobt nur das Ressentiment gegen die,
die das Privileg haben, öffentlich zu wirken, hier tobt der ständige Protest als Wille zur Selbstbehauptung in
einem Land, in dem sich jeder jedem ebenbürtig, also überlegen fühlt, wie einst der Grieche dem Barbaren.
Die egalitäre Gesellschaft - die politisch beste, die es gibt - ist die am wenigsten friedsame. In ihr geben eher
die Nichtexperten den Ton an, die, welche die Wahrheit für sich reklamieren, ohne sich je um sie zu bemühen,
nicht die, welche sich um sie bemühen, ohne sie je für sich zu reklamieren. Es gibt einen egalitären Suprematie-
Komplex der Zukurzgekommenen, typisch für eine Zeit, in der es so viele Züge gibt, in die man einsteigen kann,
wie noch nie, sodass manche gar nicht einsteigen oder in die falschen und sich dann, rachsüchtig, für zukurz-
gekommen halten.
In Wahrheit steckt hinter einem Kubus wie dem neuen Drachenfels-Restaurant kein "Toben", sondern Kalkül.
Kein Grundriss ist besser nutzbar als ein Quadrat. Die relativ kleine Fläche des Glaswürfels (160 Quadratmeter)
erlaubt eine Bestuhlung von 130 Plätzen. Der transparente Saal vermittelt ein schwebendes Raumgefühl, ver-
wischt die Grenzen zwischen Innen und Außen. Trotzdem fühlt der Gast sich geborgen, denn dank moderner
Klimatechnik ist es im Winter warm, im Sommer kühl. Ein Wintergarten auf dem Drachenfels - das Populäre
macht Reklame für das Populäre!
"Gehören wir eigentlich zum Beuteschema von Drachen, Bruder?!"
"An Drachen glauben doch nur Menschen, Bruder. Die glauben an
alles, die sind noch völlig unaufgeklärt."
"Ziel der Neugestaltung war vor
allem, das Landschaftserlebnis
und den Blick ins Rheintal und
das Siebengebirge in den Vorder-
grund zu rücken. Die Flächen des
öffentlichen Raums, die den Be-
suchern zur Verfügung stehen,
sollten vergrößert werden."
Die Wirtschaftsförderungsgesell-
schaft der Stadt Königswinter
Uhu bedroht? Oder der Glaswürfel?
Wegen Vogelschlag-Gefahr wird
das neue Glashaus von Natur-
schützern kritisiert: Sein Licht
ziehe in der Dunkelheit Vögel an,
und bei Tag sei das durchsichtige
Glas nicht zu erkennen. Der BUND
klagte daher erfolgreich auf Nach-
besserung des Vogelschutzes.
Das Verwaltungsgericht Köln ent-
schied, dass die Erlaubnis zur Ge-
staltung der Glasfassade rechts-
widrig sei. Der Bauherr will in
Berufung gehen, der Rechtsstreit
wird wohl Jahre dauern. Als provi-
sorischer Vogelschutz wurden an
den Scheiben des Kubus dünne
schwarze Streifen angebracht.
"Wenn ich Vogel wäre, ich würde
einen Bogen um das Gebäude
machen."
Der NRW-Verkehrsminister bei der
Eröffnung des Neubaus
Tod auf dem Reißbrett oder: Die
Loreley lebt hier leider nicht mehr.
Zogen sich die Landschaftsplaner
von plandrei auf dem Drachenfels
noch sehr achtbar aus der Affäre,
meter stromaufwärts nicht mehr -
sie hat dem Inbegriff der Rhein-
romantik alle Romantik ausge-
trieben. Dass der Besucher hier
Traurigkeit verspürt, ist nicht
einem Märchen aus alten Zeiten,
sondern dem verkopften Profes-
sionalismus von heute geschuldet.
Moderne Landschaftsarchitekten
sind eher Landschaftszerstörer,
die Steine lieben statt Grün, Wüs-
te schaffen statt Flair - siehe das
Umfeld des Humboldtforums in
im Eifelstädtchen Prüm. Wie ein
berühmter Vorgänger von plandrei
es besser machte - verspielt statt
rationalistisch, die Fantasie be-
flügelnd statt Nüchternheit dik-
tierend -, zeigt Lennés Park von
Schloss Stolzenfels. Für die Platz-
ierung einer Loreley-Statue unten
im Tal statt oben auf dem Felsen
können die Erfurter Planer da-
gegen nichts. Eine Künstlerin aus
Russland schenkte das Werk der
Stadt St. Goarshausen, die es auf
der Hafenmole aufstellen musste,
dort, wo sich die sagenhafte Sirene
nie herumtrieb und kein Tourist sie
sucht.

Diese Loreley saß im Kanzleramt...
© Spectator.co.uk
Trauerklöeße statt Sirenen
Exakt vierzig Jahre nach der ersten Loreley wurde eine zweite Statue, diesmal oben auf dem Felsplateau, enthüllt. Beide Damen trauern ob des Verlusts ihres Geliebten, beide sind Depris statt Vamps und ma-chen sich unsichtbar: die Loreley unten, weil jeder die Loreley oben sucht, die Loreley oben, weil sie nicht an der Felskante sitzt. Die Loreley ist bekanntlich eine Kunst-figur der Romantik, keine Frau von nebenan. Sie kann heute eigentlich nur noch parodistisch, als über-lebensgroßer Popart-Plastik-Vamp, prominent am Felsrand thronend, inszeniert werden. Dann zieht sie alle Blicke auf sich, dann überlebt sie als populäre Ikone der Macht, der Verführung, des Unerhörten. By the way: Zwillinge sind ma-gisch, doppelte Denkmäler sind Stuss!