Fotos: W. Broemser
Um- und Neubau Drachenfels-Plateau, Königswinter
Planung: Pool 2 Architekten, plandrei Landschaftsarchitekten
Bauzeit: 2011-2013
Architekturen // Ausflugsrestaurant
"Ziel der Neugestaltung war vor
allem, das Landschaftserlebnis
und den Blick ins Rheintal und
das Siebengebirge in den Vorder-
grund zu rücken. Die Flächen
des öffentlichen Raums, die den
Besuchern zur Verfügung stehen,
sollten vergrößert werden."
Die Wirtschaftsförderungsgesellschaft
der Stadt Königswinter
Uhu bedroht? Oder der Glaswürfel?
Brutalismus hat doch was mit "brutal" zu tun - der Beton-Oschi aus den 1970er-Jahren
Bereits im Biedermeier war die Aussichtsterrasse eine öffentliche Freifläche (li.) - anders als dann in den 1950er-Jahren (Mitte). William Turner malte den Drachenfels 1817. Fotos: Stadt Königswinter
Wegen Vogelschlag-Gefahr wird
das neue Glashaus von Natur-
schützern kritisiert: Sein Licht
ziehe in der Dunkelheit Vögel an,
und bei Tag sei das durchsichtige
Glas nicht zu erkennen. Der BUND
klagte daher erfolgreich auf Nach-
besserung des Vogelschutzes.
Das Verwaltungsgericht Köln
entschied, dass die "Erlaubnis
zur Gestaltung der Glasfassade"
rechtswidrig ist. Der Bauherr will
in Berufung gehen, der Rechts-
streit wird noch Jahre dauern.
Als provisorischer Vogelschutz
wurden an der Fassade des Kubus
dünne schwarze Streifen ange-
bracht.
Glashaus mit Aussicht
"Gehören wir eigentlich zum Beuteschema von Drachen, Bruder?!"
"An Drachen glauben doch nur Menschen, Bruder. Die glauben an alles, die sind noch völlig unaufgeklärt."
"Wenn ich Vogel wäre, ich würde
einen Bogen um das Gebäude
machen."
Der NRW-Verkehrsminister nicht ganz
zynismusfrei bei der Eröffnung des
Neubaus
Ausflugsrestaurant
Tod auf dem Reißbrett oder:
Die Loreley lebt hier nicht mehr.
Zogen sich die Landschaftsplaner
von plandrei auf dem Drachen-
fels noch höchst achtbar aus
der Affäre, gilt das für ihre Neu-
etliche Kilometer stromaufwärts
nicht mehr - sie hat dem Inbegriff
der Rheinromantik alle Romantik
ausgetrieben. Dass der Besucher
hier Traurigkeit verspürt, ist nicht
einem Märchen aus alten Zeiten,
sondern dem verkopften Profes-
sionalismus von heute geschuldet.
Moderne Landschaftsarchitekten
sind eher Landschaftszerstörer,
die Steine lieben statt Grün,
Wüste schaffen statt Flair - siehe
das Umfeld des Humboldtforums
platz im Eifelstädtchen Prüm.
Wie ein berühmter Vorgänger
von plandrei es besser machte -
verspielt statt rationalistisch,
die Fantasie beflügelnd statt
Nüchternheit diktierend -, zeigt
Lennés Park von Schloss Stolzen-
fels. Für die Platzierung einer
Loreley-Statue unten im Tal statt
oben auf dem Felsen können die
Erfurter Planer dagegen nichts.
Eine russische Künstlerin schenkte
das Werk 1983 der Stadt St. Goars-
hausen, die es auf der Hafenmole
aufstellen musste - dort, wo sich
die sagenhafte Sirene nie herum-
trieb und kein Tourist sie sucht.
Rheinromantiker aus aller Welt können aufatmen: Der "Betondrache" auf
dem Drachenfels, das Restaurant-Ungetüm der 1970er-Jahre, hat sich wider-
standslos erlegen, sprich: zurückbauen lassen. Jetzt ziert ein Kubus mit sand-
gestrahlten Sichtbetonpfosten und verglaster Fassade die meistbestiegene
Erhebung Europas. Kleiner und filigraner als sein Vorgänger passt sich der
Restaurant-Neubau vergleichsweise diskret in die Landschaft ein. Eine abge-
treppte Terrasse mit flachen Sitzstufen ermöglicht den ungehinderten Aus-
blick auf den Strom. Sie ist direkt mit dem Ankunftsbereich der Drachenfels-
bahn verbunden. Dort entstand eine neue Bergstation mit einer Kolonnade
aus vorgefertigtem Sichtbeton.
Neubau ordnet sich der Ruine unter
Der Gebäude-Komplex umfasst den denkmalgerecht sanierten Altbau aus
den 1930er-Jahren, den neuen, zweigeschossigen Glaswürfel und ein Foyer
als Gelenk zwischen Alt- und Neubau. Trotz unterschiedlicher Form und
Materialien (Glas vs. Stein) entstand eine homogene gestalterische Einheit,
die sich in ihrer Längsausrichtung dem Felsgipfel mit der Burgruine unter-
ordnet und die freie Fläche vergrößert. Das alte Restaurant dominierte mit
seiner Querausrichtung und dem massigen Volumen den Berg fast wie ein
Flugzeugträger. Teile der Abbruchmaterialien dienten als Fundament für den
Neubau. Dieser ist, trotz Vollverglasung, energetisch sehr viel effizienter als
sein ungeschlachter Vorgänger - der Betreiber erhofft sich 70 Prozent an
Energieeinsparung.
Aufwendig klimatisierter Speisesaal
Im Erdgeschoss des Altbaus befinden sich die Küche und ein Speiseraum mit
80 Sitzplätzen. Die obere Etage wird für Tagungen und Seminare genutzt.
Das Untergeschoss des Neubaus enthält einen kleinen Laden und einen
Imbissbereich. Im Hauptgeschoss des Glaswürfels entstand ein lichtdurch-
fluteter, quadratischer Speisesaal mit 130 Sitzplätzen. Automatische Außen-
rollos schützen den Raum vor der Sonne. Kühlung und Heizung erfolgen
nach dem Prinzip der Bauteilaktivierung über die nichttransparente Decke,
die zum Zweck der besseren Schallabsorption auch eine Akustikdecke ist.
Die beiden Speiseräume werden über den Fugenbau erschlossen. Mit der
Außengastronomie im Terrassenbereich ergänzen sie sich je nach Jahreszeit
und Gästezahl. Für private Feiern in den Abendstunden kann ein Sternekoch
gebucht werden.
Das Gelände ist - bis auf den Aufstieg zur Burgruine - barrierefrei angelegt.
Um die Sitzstufen der neuen, zum Rhein zeigenden Terrasse führt eine
Rampe, die die spektakuläre Aussichtsplattform mit dem Gastronomie-
Komplex verbindet.
"Ein Ausflug auf den Drachenfels? Trifft die sanierte Hütte denn unseren gehobenen Geschmack?" Ein Erdmännchen aus dem Neuwieder Zoo
Diese Loreley saß im Kanzleramt... © Spectator.co.uk
Trauerklöße statt Sirenen
Exakt vierzig Jahre nach der ersten Loreley wurde eine zweite Statue, diesmal oben auf dem Felsplateau, enthüllt. Beide Damen trauern ob des Verlusts ihres Geliebten, beide sind Depris statt Vamps und machen sich unsichtbar: die Loreley unten, weil jeder die Loreley oben sucht, die Loreley oben, weil sie nicht an der Felskante sitzt. Die Loreley ist bekanntlich eine Kunstfigur der Romantik, keine Frau von nebenan. Sie kann heute eigentlich nur noch parodistisch, als greller Popart- Plastik-Vamp, prominent am Fels-rand thronend, inszeniert werden. Dann zieht sie alle Blicke auf sich, dann überlebt sie als populäre Iko- ne der Macht, der Verführung, des Unerhörten. Im übrigen: Zwillinge sind magisch, doppelte Denkmäler sind Stuss.
Architektur ohne Gemecker - unvorstellbar. Schon wird das neue Drachenfels-Restaurant als "Schuhkarton" abgekanzelt, der in wenigen Jahren ebenfalls reif für die Abrissbirne sei. Nächst dem Fußball kennt die Baukunst die meisten selbst ernannten Experten. Das Gros der Mitglieder von Architekturforen sind keine Architekten. Wer reflexhaft auf neue Bauten schimpft, zeigt, wie stark Architektur als öffentliche Kunst (oder Nichtkunst) in unser Leben eingreift. Daher die so oft neiderfüllte Missgunst gegen ihre Schöpfungen. Ihre massive optische Präsenz betrifft alle, die ein Auge für ihre gebaute Umwelt haben - Erkenntnisse der Quantenphysik interessieren dagegen nur Quantenphysiker. Dass Laien sich in die Baukunst einmischen, ist nicht schlecht, solange sie sich um ein Verständnis für neues Bauen bemühen.
Dazu gehört, anzuerkennen, dass Architektur ein Gemeinschaftswerk ist, an dem Bauherren, Nutzer und das Planrecht der Politik ihren Anteil haben. Auch der ehrgeizigste Planer will keine One-Man- oder One-Woman-Show abliefern, sondern Baukultur im Einklang mit einem sich neu bestimmenden Zeitgeist neu bestimmen. Der ernsthafte Architekt ist nicht von Gier nach Geld und Publicity getrieben, sondern von Visionen einer besseren Welt. "Jetzt toben sich die Typen schon auf dem Drachenfels aus...!" Hier tobt nur das Ressentiment gegen die, die das Privileg haben, öffentlich zu wirken, hier tobt der ständige Protest als Wille zur Selbstbehauptung in einem Land ohne (sichtbare) Oberschicht, in dem sich jeder jedem ebenbürtig, also überlegen fühlt, wie einst der Grieche dem Barbaren. Die egalitäre Gesellschaft - die politisch beste, die es gibt - ist die am wenigsten friedsame. In ihr geben eher die Nichtexperten den Ton an, die, welche die Wahrheit für sich reklamieren, ohne sich je um sie zu bemühen, nicht die, welche sich um sie bemühen, ohne sie je für sich zu reklamieren. Es gibt einen egalitären Suprematie-Wunsch der Zukurz-gekommenen, typisch für eine Zeit, in der es so viele Züge gibt, in die man einsteigen könnte, so dass viele in die falschen einsteigen und sich dann, rachsüchtig, für zukurzgekommen halten.
In Wahrheit steckt hinter einem Kubus wie dem neuen Drachenfels-Restaurant kein "Toben", sondern Kalkül. Kein Grundriss ist besser nutzbar als ein Quadrat. Die relativ kleine Fläche des Glaswürfels (160 Quadratmeter) erlaubt eine Bestuhlung von 130 Plätzen. Der transparente Saal vermittelt ein schwebendes Raumgefühl, verwischt die Grenzen zwischen Innen und Außen. Trotzdem fühlt der Gast sich geborgen, denn dank moderner Klimatechnik ist es im Winter warm, im Sommer kühl. Ein Wintergarten auf dem Drachenfels - das Populäre macht Reklame für das Populäre!